Magdeburg

Die Prämonstratenser zwischen Tradition und Zukunft

Die Symbole für die Vergangenheit und die Zukunft der Prämonstratenser liegen nur einen Kilometer voneinander entfernt. In Magdeburg befindet sich am linken Elbufer das Kloster Unser Lieben Frauen. 15 Minuten dauert der Fußweg bis zum Quartier Ökumenische Höfe. Hier befindet sich ein Klosterneubau des Priorats der Abtei Hamborn

Im Oktober fand die feierliche Einweihung statt. Pater Clemens Dölken berichtete im Vorfeld von positiven Rückmeldungen aus der Bevölkerung. „Sie finden es prima, dass wir etwas aufbauen, während anderswo alles geschlossen wird“, sagte der Prior.

Symbiose mit der Seelsorge

Es ging ihm darum, einen Ort zu schaffen, an dem Leben, Beten und Arbeiten möglich ist. „Das Klosterleben ist wie in einer Symbiose verwoben mit der Seelsorge in den Pfarreien“, betonte Pater Clemens. Außerdem solle eine Möglichkeit geschaffen werden, dass junge Männer, die sich für den Eintritt in den Orden interessieren, am Klosterleben teilnehmen können. 

Vom Dach des Neubaus ist der Dom zu Magdeburg gut zu sehen. Die evangelische Pfarrkirche ist das Wahrzeichen der Stadt. Aber die Stadt hat noch viel mehr an historischen Bauwerken zu bieten. Der ehemalige Wirkungsort der Prämonstratenser in Magdeburg zieht Besucher aus der ganzen Welt an.

Mutterkloster des Ordens im östlichen Raum

Das Kloster Unser Lieben Frauen atmet schließlich Geschichte. Im Jahr 1129 übereignete Erzbischof Norbert von Xanten das Stift dem neu gegründeten Orden. Papst Honorius II. bestätigte diesen Vorgang. Dieses Prämonstratenser-Chorherrenstift wurde, nach Prémontré, praktisch zum Mutterkloster des Ordens im östlichen Verbreitungsraum. Hier befanden sich die Gebeine des Heiligen Norbert von Xanten – bis sie 1626 Caspar von Questenberg, der damalige Abt des Klosters Strahov, nach Prag überführte. 

Damals tobte in Europa der Dreißigjährige Krieg. Auch in Magdeburg kam es zu Verwüstungen. „Die gesamte Bevölkerung wurde regelrecht niedergemetzelt“, erzählt Pater Clemens. Das Wort „Magdeburgisieren“ steht heute für die grausame Vernichtung einer Stadt.

Chorherren verließen Magdeburg 1632

Bei der Zerstörung durch kaiserliche Truppen unter Johann T’Serclaes von Tilly am 10. Mai 1631 blieb das Kloster zwar weitgehend unbeschadet. Trotzdem endete die Zeit der Prämonstratenser bald. 1632 verließen die Chorherren das Kloster endgültig.

Seit 1991 ist der Orden wieder zurück in Magdeburg. Im Zuge der Wiedervereinigung entstand in der Stadt ein Priorat der Abtei Hamborn. „Meine Mitbrüder saßen vor dem Fernseher und haben die Öffnung der innerdeutschen Grenzen gesehen“, erzählt Pater Clemens. „Sie kamen sofort auf die Idee, nach Magdeburg zu gehen.“ Der gebürtige Duisburger war es, der als erster Prämonstratenser wieder nach Sachsen-Anhalt zog. Er baute dort das Hilfswerk SUBSIDIARIS auf. Pater Clemens ist nun Prior der 1996 gegründeten Niederlassung in Magdeburg.

Innenstadt von Magdeburg wurde bombardiert

Ihm und seinen drei Mitbrüdern ist bewusst, welche Bedeutung die Stadt in der deutschen Geschichte hat. Viele Generationen erfuhren großes Leid. „Im Zweiten Weltkrieg wurde die Innenstadt von Magdeburg bombardiert und zerstört“, erzählt Pater Clemens und verweist auf die Ereignisse vom 16. Januar 1945. Das Gedenken in der Stadt ist stark ausgeprägt. So wird im Magdeburger Theater jedes Jahr am 16. Januar die 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven gespielt. Sie bricht abrupt ab – wie damals beim Bombardement. 

Pater Clemens begrüßt es, dass es diese Erinnerungskultur gibt. Er hat sich aber gefragt, wie die Prämonstratenser mit der Geschichte umgehen sollen. „Ein christliches Kloster kann einen Beitrag leisten, für Versöhnung zu sorgen“, sagt Pater Clemens. „Das kann man aber nicht befehlen. So eine Idee muss in Stein gemeißelt werden.“

Prämonstratenser leben echte Ökumene

Der Klosterneubau steht also sinnbildlich für die Versöhnung. Dass in Magdeburg echte Ökumene gelebt wird, wollen sie vor Ort zeigen. Die Prämonstratenser leben nun in einem Quartier, in dem die evangelisch-reformierte Gemeinde, die evangelische Altstadtgemeinde, die katholische Pfarrgemeinde Sankt Augustinus sowie die Europäische Sankt-Norbert-Stiftung zuhause sind.

„Das Thema Ökumene greifen wir auch architektonisch auf“, sagte der Architekt Hubertus Trompeter jüngst bei einer Baustellenbegehung. Als es im Sommer 2018 losging, rissen die Bauarbeiter In einem symbolischen Akt die trennende Mauer zwischen den Grundstücken der katholischen und evangelischen Gemeinden ein. In den Ökumenischen Höfen werden Plätze der Begegnung entstehen.

Reiner Haseloff spricht von Herausforderung

Das beeindruckt auch die Politik. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff war bei der Eröffnung zu Gast. „Mit dem Neubau sendet die christliche Minderheit das Signal, dass der christliche Glaube zu den Wurzeln der freiheitlich-­demokratischen Grundordnung gehört“, sagte der CDU-Politiker. 

Mit der Schaffung des öffentlichen Durchgangs in der Stadtmauer zur Romanischen Stube wurde eine Verbindung zum gesamten Ensemble geschaffen. Dabei wird auch an die Geschichte der Reformation erinnert. Die Rückwand der Stube grenzt an den sogenannten „Lutherturm“, dessen Wiederaufbau zu einem späteren Zeitpunkt geplant ist.

Weitere Infos: www.klosterneubau.de