Sechseinhalb Jahrzehnte ist es her: am 24. August 1959 wurde offiziell unser Prämonstratenser-Konvent in Hamborn neu gegründet. Eigentlich war es eine Klosterverlegung, ein Ortswechsel von Süd nach Nord. Sieben Mitbrüder aus dem Kloster Rot an der Rot wechselten ihre Heimat. Rot wurde aufgegeben, Hamborn neu gestartet. Der erste Essener Bischof hatte die Problemlösung parat: In Rot gab es zu wenig Arbeitsplätze, in Hamborn wurde jeder gebraucht.
Als Erster traf an seinem dreißigsten Geburtstag Pater Remigius ein. Im Laufe des Sommers folgten alle anderen. Dieser junge Konvent war noch geprägt von den Schrecken des Krieges und der Vertreibung, aber ebenso von großen Zielen und Hoffnungen, die die Mitbrüder mit Rot verbunden sahen. Der Wechsel vom Barock in die nüchterne Industrie, vom bäuerlichen Dorf in die Großstadt war auch ein Schock, manchmal eine Überforderung. Regierender Prior war Pater Bernhard Mayer (+1967), Subprior und Magister war Pater Siard Tibosch (+1965). Väterlicher Freund der Gemeinschaft war Pfarrer Propst Schoonhoven (+1969).
Eine Visitation durch den Orden brachte die wichtigste Stütze und Hilfe auf den Weg: 1965 wurde Abt Florian Pröll aus dem Stift Schlägl in Oberösterreich Administrator des Priorates Hamborn. Von da an wurden die Novizen in Schlägl gemeinsam ausgebildet, in Innsbruck war der gemeinsame Studienort und Mitbrüder wurden wechselseitig in Hamborn und Schlägl eingesetzt. Ein fruchtbarer Austausch von Wald und Industrie hatte begonnen. Und es entwickelte sich eine Freundschaft zweier Konvente, die bis zum heutigen Tag erhalten ist. Die Gemeinschaft wuchs kontinuierlich.
1969 wurde die Pfarr- und Klosterkirche St. Johann der liturgischen Erneuerung entsprechend modernisiert, das Kloster durch den Architekten Schilling aus Köln erweitert, zum Teil um- und neugebaut. Die Einsatzgebiete der Mitbrüder in Hamborn erstreckten sich auf die damalige Pfarrei St. Johann, das St. Johannes-Hospital und alle Schulen ringsum. In enger örtlicher Konzentration der Aufgabenfelder war das Gemeinschaftsleben im Kloster gut und überzeugend möglich.
Pfarrei und Kloster von Optimismus erfüllt
Der Prämonstratenser-Orden hatte in zwei sehr wichtigen Generalkapiteln nach dem Konzil die Statuten komplett erneuert und das Leben in Gemeinschaft dem Konzil folgend herausgestellt und betont. Pfarrei und Kloster waren von Optimismus erfüllt, viele neue Ideen wurden umgesetzt, es herrschte eine Atmosphäre des Aufbruchs, besonders verbunden mit dem Namen von Propst Bruno Grünberger (+2015), der als Pfarrer von St. Johann und als Prior im Konvent unter Abt Florian viele Mitbrüder ausgebildet und geprägt hat, auch noch während vieler Jahre im Krankenstand. Mit dem wachsenden Konvent erweiterten sich auch die Tätigkeitsfelder des Konventes in den siebziger und achtziger Jahren.
Weitere Pfarreien kamen hinzu, unter anderem seit 1974 St. Johannes Evangelist in Cappenberg. Weitere Mitbrüder traten in das Noviziat ein, 1963 bis 1981 hatten allein sieben von ihnen ihr Abitur am benachbarten Leibniz-Gymnasium gemacht. Viele stammten aus der unmittelbaren Umgebung. Es erfolgten weitere An- und Umbauten mit Unterbringungsmöglichkeiten für die Mitbrüder.
Überschattet wurde die innerkirchliche Aufbruchstimmung mehr und mehr durch die wirtschaftliche Entwicklung des Ruhrgebietes. Zunehmende Arbeitslosigkeit und die Verelendung ganzer Stadtteile forderten Mitbrüder, Haupt- und Ehrenamtliche in den Pfarreien stark heraus. Auch wurden Dialog und Nachbarschaftshilfe immer nötiger und gefragter, denn nach den katholischen Slowenen und Polen siedelten sich immer mehr Menschen aus verschiedensten Ländern, Religionen und Kulturen an.
Diese Entwicklung ist bis heute ungebremst. Viele gute Werke sind entstanden: die regelmäßigen Mittagstische, Kleiderstuben und Lebensmittelausgaben, die Jugendberufshilfe, sozial-pastorale Zentren in Ostacker-Bruckhausen, später in Marxloh und Neumühl. Es ist fast unmöglich, hier alles aufzuzählen. Ein wichtiger Name sei aber erwähnt: Pater Rainer van Doorn.
Gleichzeitig dachte der Konvent auch nach über zukünftige Arbeitsmöglichkeiten. Anfang der neunziger Jahre waren alle Priesterstellen ringsum besetzt. Von einem „zweiten Standbein“ war die Rede, das zugleich Lebensunterhalt und Einsatz für die Anliegen von Kirche und Gesellschaft vor Ort den hinzugekommenen Mitbrüdern ermöglichen könnte, sollte. Darüber kam der Fall der Mauer und die Öffnung des Ostens. Hans-Dietrich Genscher und der Theologe Johann-Baptist Metz hatten aufgefordert, sich partnerschaftlich in den Gemeinden des Ostens zu engagieren.
Pater Clemens zieht es 1991 nach Magdeburg
Unseren Konvent führte der Heilige Norbert in seine Bischofsstadt Magdeburg. 1991 ging Pater Clemens Dölken dorthin, um Einsatzmöglichkeiten vor Ort zu erkunden. Die Hamborner Vorerfahrungen ließen sich sofort einbringen und nahmen im Hilfswerk SUBSIDIARIS Gestalt an, später auch in der Europäischen St.-Norbert-Stiftung. Ein jahrelanger provisorischer Wohnsitz im Stadtteil Cracau, die Übernahme von Pfarreien und Schuldienst folgten: 1996 wurde unser erstes Priorat gegründet. Nach vielen Jahren zurückgezogener Zusagen und ausgebliebener Unterstützungen wurde schließlich der Traum eines eigenen Klostergebäudes wahr. 2023 konnte der Neubau bei St. Petri und der Valloner-Kirche bezogen und eingeweiht werden: das Kloster St. Norbert in Magdeburg!
Während dieser drei Jahrzehnte, in denen nun schon Mitbrüder in Magdeburg eingesetzt sind, veränderte sich das Ruhrbistum Essen massiv, was auch Auswirkungen auf unser Kloster hatte. 1994 hat das Generalkapitel des Ordens Hamborn wieder zur Abtei erhoben. 1995 konnte die erste festliche Abtweihe unter großer Anteilnahme stattfinden. Aber schon damals hatte die Abwanderung der ursprünglichen Industriebevölkerung längst eingesetzt und ist bis heute ungebremst, verbunden mit dem Schrumpfen der katholischen und evangelischen Gemeinden.
Das Bistum reagierte mit Zusammenlegungen, Schließungen und Stellenstreichungen. Ein Ende dieser Entwicklungen ist nicht abzusehen. Nach wie vor voller Optimismus, erbaute der Konvent 2010 einen neuen Klosterflügel in Hamborn, angeregt durch weiteren Mitbrüderzuwachs und durch älter werdende Mitbrüder mit Gebrechen, verursacht durch Alter und Krankheit.
Heute verfügt unser Konvent in Hamborn und Magdeburg über gute Gebäude, in denen das Gemeinschaftsleben und das Klosterleben stattfinden können, in denen zugleich die Begegnung mit vielen Menschen ihren Platz hat. Es sind Zentren entstanden, die ausstrahlen und einladen, die seelsorgliches und missionarisches Engagement dauerhaft ermöglichen können. In naher und weiterer Zukunft bedürfen diese Klöster umfassender Sicherung und ihr Engagement ist weiter ausbaufähig, sowohl durch hinzukommende junge Mitbrüder, als auch durch die Einrichtung von Fonds, zum Beispiel durch Erbschaften, Stiftungen und Schenkungen, um sie vor Streichungs- und Einsparplänen Anderer zu bewahren.